Interview Der SONNTAG mit DI Dipl. Päd. Birgitta Gmeiner von Lebensberatung Gmeiner
Nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern jetzt
Interview mit Birgitta Gmeiner in der Zeitung „Der Sonntag“ vom 17.04.2022
Alter: 56
Wohnort: Baden
Gott ist für mich: die Liebe
Sonntag bedeutet für mich: die Heilige Messe feiern.
Lebensmotto: Am Ende meines Lebens will ich ganz Liebe geworden sein.
Frau Gmeiner, Sie haben Chemie studiert, als Chemikerin gearbeitet, und sind heute christliche Lebensberaterin, Trauer- und Hospizbegleiterin. Wie lässt sich denn der Bogen zwischen diesen biographischen Stationen spannen?
Das Chemiestudium hat mich sehr geprägt und tief auf mein Weltbild gewirkt. In der Chemie war da für mich immer dieses Staunen über die Schöpfung, das hat mich bereits im Studium sehr fasziniert. Dass ich auch mit Menschen gerne arbeite, ist dann später stärker heraus gekommen. Ich habe meine Ausbildung zur Lebensberaterin beim Institut für christliche Lebensberatung und Seelsorge gemacht. Mir war wichtig, dass die Beratung auf einer christlichen Basis stattfindet. Dabei können wir auf die Ressourcen, die der Glaube bietet, zurückgreifen und müssen uns nicht aus eigener Kraft retten.
Sie begleiten Menschen auch in Trauerprozessen. Wie sieht eine solche Begleitung aus?
In die Trauerbegleitung kommen Menschen, deren Trauer auf irgendeine Weise kompliziert ist. Zum Beispiel weil der Verstorbene Suizid begangen hat oder weil ein Kind verstorben ist. Oft sind die Hinterbliebenen an irgendetwas hängen geblieben, haben ungelöste Fragen, die wir dann gemeinsam bearbeiten. Das Ziel ist immer, eine liebevolle Verbindung zum Verstorbenen zu schaffen, die aber nicht so stark ist, dass sie den Hinterbliebenen von der Lebensfreude abschneidet. Was den Glauben betrifft, will ich dabei niemandem etwas überstülpen. Meist ist es aber so, dass der Trauernde eine Vorstellung von einem Weiterleben nach dem Tod hat. Fast jeder Mensch glaubt an die Liebe. Und dass Gott die Liebe ist, daran kann man fast immer anknüpfen.
Sie selbst hatten als junge Frau eine starke Gotteserfahrung.
Ich habe bei Exerzitien im Alltag den intensiven Anruf Gottes erfahren und ihm mein Leben übergeben. Seitdem hat es natürlich auch trockene Zeiten gegeben, ich habe sie aber immer mit Gott zusammen erlebt. Vor dreizehn Jahren habe ich das kontemplative Gebet nach einer Methode des Jesuiten Franz Jalics kennen gelernt, das ich seitdem jeden Tag eine halbe Stunde praktiziere.
Was ist das für eine Gebetsform?
Es ist eine sehr schlichte Form, bei der man wortlos in der Gegenwart Gottes verweilt. Ich bete mit meinem Leib und spreche mit dem Atem den Namen Jesus Christus aus. Ich bin da vor Gott und lasse die Verbindung fließen. Dieses Beten hat mein Leben verändert, weil es mich mehr in die Gegenwart, in die Achtsamkeit geführt hat.
Können Sie das genauer beschreiben?
Ich lebe heute viel mehr in der Gegenwart, im Bewusstsein, dass das Leben heute passiert. Nicht in Zukunft, nicht in der Vergangenheit, sondern Jetzt. Ich kann mir auch außerhalb der Gebetszeiten während des Tages immer wieder die Gegenwart Gottes bewusst machen.
Sie leiten auch eine Gebetsgruppe.
Einmal im Monat leite ich einen Tag der Stille und gebe auf Anfragen Gebetskurse. Die Hauptbotschaft, die ich dabei vermitteln möchte, lautet: Gott ist ein Du, der immer da ist und der darauf wartet, dass wir mit ihm in Verbindung treten.